Hannoversch Münden – Nordenham
Tag 1
Am ersten Tag der Reise ging es abends am Zusammenfluss der Fulda und Werra los, um die ersten Kilometer auf der Weser abzupaddeln. Das Wetter spielte mit, auch wenn es ruhig etwas sonniger hätte sein dürfen.
An einem ruhigen Ort in der Nähe von Reinhardshagen fanden wir einen schönen, ruhigen Platz, wo wir nach einem leckeren Essen vom Grill seelig in die Schlafsäcke krochen, um am nächsten Tag die erste große Etappe in Angriff zu nehmen.
Tag 2
Der zweite Morgen meiner Wesertour begann bei kühlen 2 Grad und es fiel etwas schwer, sich in den kalten, noch nassen Neopren zu zwängen. Doch schon nach dem Abbau des Nachtlagers und dem Morgentee sind wir im Paddelmodus. Die Boote sind schnell wieder im Wasser und wir setzen uns das Minimalziel Holzminden für 18:30 Uhr.
Vorbei an Deutschlands einzigem Holzkohle Werk (Profagus) in Bodenfelde, durch das beschauliche Bad Karlshafen mit dem prominenten Hugenottenturm und dem Skywalk an den Hannoverschen Klippen.
Hinter Beverungen machen wir unsere Mittagspause und genießen die Sonnenstrahlen und ich mein Porridge. Über eine Stunde genießen wir die Aussicht und beginnen zu entschleunigen.
Nach der Pause geht es weiter.
Wir passieren Höxter mit dem Kloster Corvey und erreichen schon um 16:30 Holzminden.
2 Stunden haben wir noch, bis wir ein Nachtlager suchen müssen.
Bevern, Heinsen und Polle liegen an dem weiteren Verlauf. Polle mit seiner schönen Burgruine lädt definitiv zu einem späteren Besuch ohne Boot ein.
Es ist nun schon 18:30 und uns trennen nur noch wenige km bis zur 100km-Marke. Der Ehrgeiz ist geweckt, und so paddeln wir weiter und finden kurz nach der magischen 100 ein schönes Plätzchen, wo wir das Nachtlager aufschlagen können. Und nach einem leckeren Mahl vom Grill schläft es sich gleich doppelt gut…
Tag 3
6 Uhr morgens. Der Wecker klingelt. Heute ist es gar nicht soooo kalt. Das Wasser für einen Tee und Kaffee ist schon aufgesetzt und das Nachtlager schnell abgebaut, verpackt und in den Booten verstaut. Schon bald sitzen wir wieder in unserem Kajaks und rutschen in die Weser.
Die Klippen bei Dölme ziehen links an uns vorbei und durch das ein oder andere Loch in der Wolkendecke schießen ein paar Sonnenstrahlen. Einige davon tauchen einen Berg vor uns in ein wunderschönes Licht. Als wir dem Hang näher kommen, sehen wir auch das kleine Dorf, das sich an ihn schmiegt und den klangvollen Namen „Rühler Schweiz“ trägt. Hoch oben auf einem Hügel steht ein Denkmal, das ich mir bald mal genauer ansehen möchte.
Etwas weiter auf der linken Seite kann man im Wald zwei Häuser erkennen. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ein Blick auf die Karte bestätigt meine Vermutung. Das ist die Lutterburg. Ein beliebter Lostplace und Spukhaus. Ich selbst war noch nicht da, hörte aber schon viel davon (es gibt / gab sogar eine eigene FB-Gruppe dazu).
Bodenwerder lässt nicht mehr lang auf sich warten und auch Hehlen mit seinem Schloß huscht an uns vorbei.
Weiter und weiter schlängelt sich die Weser, bis wir zur Mittagszeit Hameln erreichen und schon etwas aufgeregt der Bootsrutsche entgegenfiebern. Doch leider ist diese gesperrt und so dürfen wir nach einem kurzen Anruf beim Schleusenwärter ins Unterwasser schleusen. Der Wasserstand der Weser sei wohl zu hoch für die gefahrlose Rutschennutzung, sagt der gute Mann.
Rechts oben am Berg erkennt man die Schaum- und die Paschenburg – wunderschöne Ausflugsziele meiner Heimat.
In Rinteln dann ist es soweit. Meine Mitpaddlerin verlässt mich und ich muss nun die folgenden Tage Selbstgespräche führen
Und mit ihr geht auch das gute Wetter.
Nach vielen Kieswerken entlang des Weges erreiche ich Vlotho. Hier habe ich mich am nächsten Morgen mit einer alten Freundin verabredet, die meine Vorräte nochmal aufstockt.
Ich finde ein schönes Plätzchen direkt hinter einem Campingplatz und kann gerade noch so mein Lager errichten, als ein ordentlicher Regenschauer über mich hereinbricht. Doch der Wetterdienst hat recht und nach 30min ist es wieder trocken. Der Grill ist schnell befeuert und die Bratwurst schmeckt ganz ausgezeichnet, bevor ich dann müde ins Bett falle.
Danke, Viola Janine, für die schönen gemeinsamen Kilometer.
Tag 4
In der Nacht hat es nicht mehr geregnet, doch als ich das Zelt um kurz nach 6 Uhr öffne, ist es ganz diesig, doch nicht kalt.
Das Lager ist schnell abgebaut und alles im Boot verstaut. Mit etwas Schwung rutsche ich zurück ins Wasser und gebe meiner Freundin im Vlotho Bescheid, dass sie sich auf den Weg zum Steg machen kann. Einen kurzen Moment muss ich vor Ort noch warten, dann schießt ein Auto heran. Zuletzt habe ich Tina auch an dieser Stelle getroffen. Auch im Boot bei meiner ersten Weserbepaddlung. Doch dieses Mal bringt sie mir ganz phantastische Brötchen mit. Meine Wasservorräte hatte Viola am Vortag noch aufgefüllt, sodass ich hier versorgt war. An dieser Stelle nochmal: Vielen lieben Dank Tina und auch Vio.
Die Berghänge sind wolkenbehangen, sodass das Spannendste an den folgenden Kilometern die Verwirbelungen auf dem Wasser sind.
Erst ab der Porta Westfalica wird es etwas klarer und der Kaiser Wilhelm grüßt links der Weser. Hier wurde vor einiger Zeit ein Ausflugslokal an den Sockel des Denkmals gebaut, das mit seiner Aussicht lockt.
Kurz vor Minden grüßt dann noch etwas anderes. Die 200km-Marke.
Und die Pioniere der Bundeswehr trainieren gerade den Bau schwimmender Brücken und kreisen mit Landungsbooten auf der Weser. Tatsächlich wollen sie mir aber Spalier stehen, bin ich fest überzeugt
An der historischen Bootsmühle und unter einigen Brücken hindurch passiere ich Minden, wo links und rechts am Ufer geschäftiges Treiben bereits um diese Uhrzeit herrscht.
Nur wenige km weiter kreuzen sich Weser und Mittellandkanal. Ein spezielles Schauspiel, wenn ein Boot über einen hinweg fährt
Doch ab hier ist auch die Weser ein ganz anderer Fluss. Durch die Schleusenzuwegungen wird sie breiter und die Strömung ist abrupt verschwunden. Es fühlt sich fast an, wie auf einem See zu paddeln. Links und rechts ist sie nun leicht eingedeicht und man hat nicht mehr so einen schönen Blick über das Land.
Bei Petershagen gabelt sich nun der Fluss. Der abkürzende Schleusenkanal ist der Berufsschiffahrt, motorisierten Booten und großen Sportbooten vorbehalten. Als Kajakfahren geht es in den „Altarm“ und man trifft schnell auf das Wehr. Ich hatte mir ja gewünscht, meine erste Bootsrutsche nicht ganz allein zu rutschen, da ich noch nicht wusste, was mich da erwartet, aber nunja: Augen zu und durch. In der Bootsgasse lese ich mir die Bedienungsanleitung durch, drücke den Knopf zu meiner Rechten und beobachte, wie sich ein kleines Tor vor der Rutsche öffnet und das Wasser hineinströmen lässt. Die Ampel springt von rot auf grün und ich paddel fix in die Öffnung hinein. Paddel lang und ab geht die wilde Fahrt. Unten angekommen muss ich scharf vom Ufer wegsteuern und freu mich wie ein kleines Kind, weil es so Spaß gemacht hat. Nur wenige 100m weiter lande ich an und genieße meine Mittagspause.
Die nächste Flussgabelung lässt nicht lange auf sich warten und ich folge wieder dem Altarm zum Schlüsselburger Wehr und freue mich auf die nächste Bootsrutsche. Also ab auf die linke Seite Richtung Bootsgasse… Trommelwirbel…. Uuuuuund…. Baustelle. Steg, Bootsgasse… Alles nicht vorhanden. Also muss ein anderer Weg gefunden werden. Rechts am Ufer ist eine Dorfwiese ohne Tiere und ein offenes Tor. Fix paddel ich rüber, ziehe mein Boot aus dem Wasser und auf den Bootswagen und ziehe meinen Kahn über die Wiese, die Hauptstraße entlang, oben über das Wehr und boote auf der anderen Seite wieder ein. Dort entdecke ich auch eine kleine Ringelnatter und freue mich, weil ich so eine kleine schon jahrelang nicht mehr gesehen habe…
Worüber ich mich auch freue: nach jedem Wehr ist für einige km auch wieder etwas Strömung zu spüren.
Nach einiger Zeit und vielen Kieswerken mit enormer Lautstärke erreiche ich mein gestecktes Etappenziel. Stolzenau bei Kilometer 240. Noch ein paar Pufferkilometer will ich erpaddeln und finde dann ein vermeintlich schönes Plätzchen für mein Nachtlager. Alles ist schnell aufgebaut und der Grill befeuert. Das Wetter ist mittlerweile so schön, dass ich noch eine Zeit draußen sitze und esse, bevor ich in den Schlafsack krieche. Immer mit der Hoffnung, dass das Geratter der Kieswerke bald endet. Pustekuchen. Die ganze Nacht rattern die Förderbänder und bis Mitternacht gibt es Sigalhörner im Stundentakt. – Schlafen kann ich trotzdem.
Tag 5
Die Nacht war grausig. Die ständige Geräuschekulisse der Kieswerke sorgte für einen nicht erholsamen Schlaf. Doch den Wecker um 6 Uhr interessiert das nicht. Noch bei geschlossenem Zelt stopfe ich Schlafsack und Isomatte in ihre Säcke und wage mich erst danach vor „die Tür“. Der Rasen ist von Reif überzogen, die Temperatur knapp über 0 Grad. Heute kostet es besonders Überwindung, in den Neo zu schlüpfen, doch nach kurzer Zeit fühle ich mich schon wieder gewärmt. Mit steifen Fingern verpacke ich mein nasses Zelt und quetsche meine sieben Sachen durch die Luken ins Boot.
Am gegenüberliegenden Ufer scheint diffus die Sonne durch die Bäume. Über der Weser liegt dichter Nebel. Die ersten Kiesfrachter schieben sich an mir vorbei.
Vorsorglich hole ich mein Navilight heraus, um im Nebel gesehen zu werden. Doch schon nach kurzer Zeit verzieht sich der Nebel und offenbart einen strahlend blauen Himmel.
Nach einigen Kilometern wähle ich den Weserarm zum Wehr in Landesbergen… Ganz rechts biege ich in den Vorhafen ein und freue mich über die funktionierende Bootsrutsche. Knopf gedrückt und schon rauscht das Wasser die Rutsche hinab. Die Ampel springt um von Rot auf Grün und ich drücke mein Boot vor. Ganz sanft aber schnell düst mein Kahn ins Unterwasser.
Ab hier genieße ich wieder die leichte Strömung, doch nach und nach frischt auch der Wind aus Nordnordwest auf und egalisiert meinen kleinen Bonus.
Landschaftlich hat die Weser nun für einige Kilometer nichts zu bieten. Links und rechts werden hohe Deiche neu angelegt, nachdem an dieser Stelle die Weser verbreitert wurde, um der wachsenden Zahl der Schiffe gerecht zu werden (ich habe übrigens an keinem Tag der Woche mehr als 7 Schiffe meinen Weg kreuzen sehen).
Kurz vor Nienburg wird die Sicht wieder freier auf das begrenzende Ufer. Doch mit dem Wegfall der Deiche spüre ich auch den stärker werdenden Gegenwind.
Ich genieße jede Flussbiegung, die mir auch nur Seitenwind beschert und gelange schon bald an den Abzweig zum Wehr Drakenburg.
Ganz links lande ich an und ziehe mein Boot über die Rollen ans Ufer auf den bereitgestellten Bootswagen. Auf der anderen Seite des Wehres lasse ich das Boot vom Wagen ins Wasser gleiten. Das erste Nordseefeeling tritt auf. Im Unterwasser warten links und rechts alte Logger (Bootstyp) mit Aalhamen in der Strömung
Kurz bevor der Altarm sich wieder mit dem Schleusenkanal vereint, lande ich an einem Wasserwanderrastplatz an und genieße bei Sonnenschein meine Mittagspause. Natürlich wieder mit leckerem Porridge und Trockenfrüchten
Bald schon erreiche ich mein Etappenziel Hoya und auch die 300km-Marke. Rechts am Ufer begrüßen mich einige Kühe und starren mich an, als hätten sie noch nie einen Paddler gesehen. Wahrscheinlich waren sie aber nur von meinen rotglühenden Sonnenbrandohren fasziniert
Kurz hinter Hoya finde ich eine schöne Stelle zum Anlanden, bin aber, während ich das Boot aus dem Wasser über Steine ziehe, froh, dass ich eine PE – Schüssel fahre und kein GFK.
Leider stelle ich am Ufer fest, dass ich am Ende eines Feldweges stehe, habe aber auch wenig Lust, nochmal den Standort zu wechseln. So ziehe ich mich um, hänge meine Klamotten zum Trocknen auf, stelle mein Zelt auf eine möglichst ebene Fläche mit Blick aufs Wasser und lasse es von der Sonne innen wie außen wieder trocknen. Heute ist es noch relativ früh, und ich genieße das Wetter bei leckeren Käsenudeln und beobachte, wie die Ruderer aus Hoya ihr Training absolvieren. Erinnerungen an lang zurückliegende Zeiten werden wach, als ich noch im Skiff saß.
Langsam senkt sich die Sonne hinter die Bäume und ich verschwinde in meinem Zelt, genieße noch eine Weile die Aussicht, bevor ich mich ins Land der Träume verabschiede.
Tag 6
Ein wunderschöner Morgen erwartet mich, als ich um kurz nach 6 Uhr das Zelt öffne, nachdem ich schon alles innerhalb des Zeltes in seine Säcke gestopft habe. Ich atme tief durch, krabbel aus meinem Zelt und schlüpfe schnell in meine Paddelklamotten. Kurz warm machen, einen Müsliriegel inhalieren und meine 7 Sachen im Boot verstauen. Dann geht es los. Ich schiebe meinen roten Kahn ins Wasser, atme die frische Morgenluft nochmal tief ein und beginne zu paddeln. Leichte Nebenschwaden hängen noch über dem Wasser, doch schon jetzt spüre ich die Kraft der Sonnenstrahlen.
Nach wenigen Kilometern teilt sich erneut der Fluss. Eigentlich wollte ich ja ausschließlich den Hauptarm paddeln, doch Canua warnt eindringlich, dass am Wehr Dörverden das Umtragen äusserst umständlich ist und man den Schleusenkanal ansteuern und dort mit dem Bootswagen das Kajak ins Unterwasser schieben solle.
Gesagt – getan. Ganz rechts neben den Schleusen sieht man schon die Rampe, auf die ich mein Boot rutschen lasse. Der Bootswagen ist schnell unter den Rumpf geschoben und ich ziehe mein Kajak an der Schleuse entlang wieder hinab zum Wasser. Die Schleuse hier ist noch nicht so wahnsinnig alt und wurde ein wenig für Touristen hergerichtet. Mit Aussichtsturm, Infotafeln und allem Pi-Pa-Po. Wirklich schön gemacht, und ich beobachte den Schleusenvorgang eines Kiestransporters, der mich direkt heute nach dem Start überholt hatte. Ich will ihn nicht depressiv stimmen, wenn er sieht, dass ich soooooo schnell gepaddelt bin, dass er gar nicht mitbekommen hat, dass ich schon wieder an ihm vorbeigezogen bin
Voller Vorfreude auf etwas Strömung im Unterwasser werde ich jäh enttäuscht….Keinerlei Strömung nur immer stärker aufbrisender Wind, der das Paddeln immer anstrengender macht. Kurz nicht aktiv gepaddelt und schon wieder einige Meter zurückgetrieben. Aaaaaanstrengend. Nutzt nichts!- Stramm weiterpaddeln, zwischendurch den Oberkörper flach ganz nach hinten beugen, um dem Wind wenig Angriffsfläche zu bieten, wenn man kurz mal durchatmen möchte. Kilometer um Kilometer quäle ich mich voran, bis ich in der Nähe der Allermündung gegen späten Vormittag meine Pausenstelle finde. Die letzten Kilometer zehrten an den Kräften und so freue ich mich doppelt auf eine große Portion Pudding-Oats (so heißt dieses leckere Teufelszeug von Ruf). Doch lange aufhalten will ich mich auch nicht. Mein Ziel ist noch weitere 25km entfernt und ich befürchte, die nächsten Kilometer werden nicht einfacher.
Kurz nach der Pause biege ich nicht in den Schleusenkanal Langwedel ein sondern folge der Weser in Richtung Wehr. Hier sah ich vor meiner Fahrt bei der Planung Fotos von einem Tunnel, durch den man mit seinem Boot muss, um auf die andere Seite des Wehres zu gelangen. Doch ich sah auch ein Foto aus dem Dezember, das eben diesen Tunnel von einem Bauzaun versperrt zeigt. Eine gute Möglichkeit, diese Stelle zu umtragen, konnte ich auf Google Maps nicht ausmachen und so ist mir nicht ganz wohl, als ich schon aus der Distanz diesen Bauzaun und ein Schild am Ufer erkennen kann. Ich paddel laut fluchend der Bootsrampe entgegen und lese, dass man werktags zwei Handynummern anrufen könnte, wo einer der diensthabenden Ingenieure des Wehrs dann entscheiden, ob man passieren darf oder nicht. Fix sind die Ziffern ins Handy getippt, frage mich, während es klingelt, warum sowas nicht publik gemacht und man stattdessen immer vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Lange kann ich nicht sinnieren, denn schon nach kurzem Klingeln meldet sich der nette Mann , dass dieses Tor eigentlich offen stehen sollte und gab mir den Code für das Zahlenschloss, um den Durchgang zu öffnen. Das lief nun erfreulicherweise wirklich unkompliziert. Im Tunnel steht der Gleiswagen, den ich unbedingt benutzen will. Ich ziehe ihn zur Bootsrampe hinunter und bin froh, dass mich keiner beobachtet. So dämlich muss mein Mühen aussehen, das Boot auf diesen Wagen, den man ins Wasser rollen lassen kann, zu ziehen. Wahrscheinlich aber wurden schon oben in den Türmen des Wehrs von den Mitarbeitern Wetten abgeschlossen, wie lange es dauert, bis ich ins Wasser falle, mein Kajak abtreibt, der Gleiswagen entgleist und ich stampfend die Welt verfluche.
Mit viel Kraftaufwand bugsiere ich meinen paddelbaren Untersatz zur Rampe ins Unterwasser. Abladen geht definitiv schneller aber nicht weniger unelegant als das Aufladen. Immerhin das letzte Wehr im nicht-tidenabhängigen Wasser auf meiner Reise.
Auch nach diesem Wehr gibt es weniger Strömung als erhofft. Immer wieder überschlage ich, wie meine Durchschnitts-Pace ist und rechne hoch, wann ich mein gestecktes Etappenziel erreichen werde. Noch liege ich gut in der Zeit, will aber auch etwas Puffer haben.
Nach weiteren anstrengenden Kilometern erreiche ich das wunderschöne Achim mit seinen tollen Häusern mit Blick auf die Weser. Wirklich wunderschön. – Und ich komme meinem Ziel immer näher.
Noch 13km. Das klingt machbar. Auf Fotografieren verzichte ich aber freiwillig, weil ich damit beschäftigt bin, mein Paddel im Gegenwind festzuhalten. Mittlerweile habe ich auch die Paddelsicherung im Einsatz.
Ich fluche mal still, mal laut vor mich hin, welcher Idiot denn diese doofe Idee hatte, auf der Weser paddeln zu gehen. Doch die Aussicht, bald am Weserstrand von Bollen ein Zelt aufzustellen, gibt mir die nötige Energie, mich weiter durch das Wasser zu drücken. Zu vielversprechend waren die Bilder bei GoogleMaps, als dass ich irgendeinen anderen Platz in Erwägung ziehe, um mein Nachtlager aufzuschlagen. Die Kilometrierung bei Canua passt leider nicht so ganz und so freue ich mich schon 3km vor dem Tagesziel, dass ich nur noch einen Kilometer zu paddeln habe. Umso mehr strahle ich, als ich dann tatsächlich meinen „Yachti“ auf den Strand rutschen lasse. Viel früher als vermutet bin ich am Ziel. Es ist noch nicht einmal 17 Uhr, als ich mein Zelt in der knallenden Sonne aufbaue. Doch kalt ist es dennoch. Der Wind wird immer stärker. Ich habe meine liebe Müh und Not, das Zelt aufzubauen und sichere es zusätzlich noch mit großen Steinen, die überall herumliegen. Die Wetterapps prophezeien ein Abflauen des Windes gegen 21 Uhr. – Ich bin gespannt.
Nach einer leckeren Mahlzeit und einem Tee lege ich mich ins Zelt, gebe einer Freundin aus Bremen noch kurz Bescheid, wann ich wo
morgen in Bremen sein werde, wo sie meine Wasservorräte auffüllen wird und lausche einer Bibi Blocksberg-Folge, deren Ende ich aber schon nicht mehr mitbekomme… Dafür werde ich mehrmals nachts wach. Die Wetterapps haben alle gelogen und ich hoffe auf einen ruhigeren Morgen.
Tag 7
Es hat auch in der Nacht nicht aufgehört zu stürmen. Zwischendurch ist der Wind etwas abgeflaut, doch als mein Wecker heute früher als sonst bereits um 5:30 Uhr klingelt, frischt er wieder auf. Wenigstens ist mein Zelt komplett trocken gepustet. Positiv denken !
Ich verstaue meine Habseligkeiten im Kajak, lasse noch 2 kurz aufeinander folgende Kiestransporter passieren und drücke mich ins Wasser. Schon unmittelbar nach der nächsten Flußbiegung spüre ich den kräftigen Gegenwind. Die Wellen kräuseln sich. Doch ich komme recht gut voran und weiß, dass ich nach nur 9km meine erste Pause – sogar eine Zwangspause- einlegen werde.
Der Duft von frisch geröstetem Kaffee zieht durch die Luft. Ein untrügerisches Zeichen dafür, dass man in Bremen und in der Nähe von Jacobs ist. Rechts erkenne ich aus einiger Entfernung das Stadion eines zweitklassigen Fussballvereins – Werder Bremen. Für meinen fehlgesteuerten Kollegen und Fan dieses Vereins knipse ich ein schnelles Foto und paddel weiter.
Die sich breit erstreckend, letzte Staustufe der Weser in Bremen tut sich vor mir auf. Rechts das große Wehr, links die Schleusenanlage mit seiner Bootsrampe für uns Paddler. Ruckzuck bringe ich mein Boot auf den Bootswagen und ziehe ihn zum Unterwasser. Es ist mittlerweile kurz vor 9 Uhr und ich muss noch eine Stunde etwa warten, um in der Stauungsphase der Tide weiterzupaddeln. Es ist fürchterlich unangenehm im kalten Wind und auch ein Kaffee und mein warmes Porridge helfen kaum, mich warm zu halten.
Auf 11:45 Uhr habe ich mich verabredet, um meine Vorräte aufzufüllen. 2 Stunden Zeit für 5km. Das sollte ja wohl gut möglich sein. Pustekuchen….Ich kann kaum mein Paddel halten. Der Wind schlägt mir mittlerweile mit 6 bis 7bft entgegen. Und mit dem Gehen des Wassers kommen die Wellen. Das macht keinen Spass mehr und ich hab noch einige Kilometer vor mir…
Ich komme kaum noch voran, sehe am Kirchturm, dass ich schon 1,5 Stunden gepaddelt habe ich bezweifle mittlerweile, dass ich noch pünktlich am vereinbarten Treffpunkt, dem Spiel- und Wasserpark ankommen werde.
Ich hatte während meiner Pause gesehen, dass sich das Wetter auch in den nächsten Tagen nicht ändern wird und so entschließe ich mich dazu, an meinem nächsten Stopp auszusteigen. Nur mit Müh und Not komme ich trocken an den Stufen am Ufer des Parks aus dem Boot, zerren doch die Wellen ordentlich am Boot. Mit Hilfe meiner Bekannten aus Bremen hieve ich mein Boot aus dem Wasser und Stufe für Stufe die Treppen hoch bis in den Park. Wir halten noch einen kurzen Klönschnack und verabschieden uns wieder. Ich suche mir einen ruhigen Platz, um dort zu warten, bis meine Frau mich abholen kommt. Das wird einige Stunden dauern und ich nutze diese Zeit, um mir meine eben erhaltene 250g-Tafel Schokolade in den Schlund zu schieben und zwei jungen Indern zuzusehen, die auf dem Basketballfeld gegenseitig ihre Choreo zu Bollywoodmusik und Shaggy mit dem Handy filmen… Unterhaltsam
Und da sitze ich nun, schau den Passanten zu und spüre hier im Windschatten überdeutlich, dass ich mir die Löffel wohl sehr ordentlich verbrannt habe.
Mittlerweile ist es kurz nach 17 Uhr und meine Frau trifft ein. Neben der Freude sich wiederzusehen ernte ich aber auch gleich Lacher, weil ich „unmöglich aussehe“ und erhalte die Auflage, wenn wir unter Leuten sind, eine Kopfbedeckung zu tragen und, wenn wir allein sind, meine Glatze ungeschützt der Sonne auszusetzen, damit meine Mützen-Sonnenbrand-Rallystreifen schnell wieder verschwinden oder wenigstens alles gleichmäßig verbrennt.
Und bevor Fragen kommen… Ja! – Es sieht wirklich so furchtbar aus
Fest vorgenommen habe ich mir allerdings jetzt, bei besserem Wetter in Bremen wieder einzubooten und den letzten Streckenabschnitt (ca. 70km) dann zu beenden.